Industriekultur aus künstlerischer Sicht: Die Gemeinschaft der Lübecker Künstler zu Gast im Industriemuseum

Ab Freitag, 3. Dezember, lädt das Industriemuseum Geschichtswerkstatt Herrenwyk im Rahmen einer neuen Sonderausstellung mit dem Titel Industrie und Alltag – damals und heute. Die Gemeinschaft der Lübecker Künstler zu Gast im Industriemuseum Besucher:innen dazu ein, Industriekultur einmal aus einer völlig anderen, künstlerischen Perspektive zu erleben. Mitglieder der Gemeinschaft der Lübecker Künstler haben sich im Vorfeld mit den Inhalten des Museums auseinandergesetzt und Werke explizit für die Ausstellung und das Industriemuseum angefertigt, die nun bis zum 17. April 2022 sehen sind. Die Ausstellung ist eine Kooperation des Industriemuseums mit der Gemeinschaft der Lübecker Künstler.

In der Schau vertreten sind zehn Künstler:innen der Hansestadt, die sich untereinander und mit der Museumsleitung thematisch abstimmten, wodurch die Kunstwerke sehr situativ und exakt auf das Industriemuseum zugeschnitten sind. Dabei werden die klassischen Themen des Hauses künstlerisch aufgegriffen und neu interpretiert. Zu sehen sind Werke von Eva  

Ammermann, Michaela Berning-Tournier, Frauke Borchers, Christa Fischer, Rüdiger Fischer, Uwe Geiß, Volkmar Schmidt, Thomas Schmitt-Schech, Siobhan Tarr und Rainer Wiedemann.
Das Spektrum geht von Fotografie über Skulpturen, über Bodeninstallationen bis hin zu Zeichnungen und Malerei. Besonders die Bandbreite der Auseinandersetzung mit dem Thema „Industrie und Alltag – damals und heute“ ist sehr spannend. Von der Frage des Wechselspiels von Natur und Technik bis hin zu Fragen von Nachhaltigkeit und Vergänglichkeit ist viel geboten, was auch zum Nachdenken anregt.

Bereits in früheren Jahren gab es Kooperationen der Gemeinschaft Lübecker Künstler mit dem Industriemuseum. „Ich glaube, es war 1986, als wir zum ersten Mal in die Geschichtswerkstatt eingeladen wurden, um im Industriemuseum Kunst zum Thema Herrenwyk auszustellen“, erinnert sich Rainer Wiedemann, Künstler und Ausstellungskoordinator der Ausstellung „Industrie und Alltag – damals und heute“.
Seit dem Niedergang des Hochofenwerkes kam es dann immer mal wieder zu einer Ausstellung mit Mitgliedern der Gemeinschaft Lübecker Künstler; die letzte im Jahre 2014. „Als Vorsitzender der GLK und wegen meiner regen Kontakte zum Industriemuseum, auch verbunden mit dem Museum als Mitglied des Fördervereins, fragte ich immer mal wieder an, ob sich nicht die Gemeinschaft der Lübecker Künstler:innen zu einem mit dem Museum abgestimmten Thema äußern und ausstellen könnte“, beschreibt Wiedemann die Entwicklung der Projektidee. Dr. Bettina Braunmüller, Leiterin des Industriemuseums Geschichtswerkstatt Herrenwyk, stimmte diesem Vorschlag gerne zu.  Wichtig war ihr ein thematischer Bezug zum Museum oder ein regionaler Bezug zum Stadtteil: Die Entscheidung fiel auf „Industrie und Alltag – damals und heute“, da das Thema der Industrie „ein großes an sich ist, aber auch im Kleinen, im Alltäglichen erkennbar ist, das auch in der Art, wie wir damals und heute leb(t)en gespiegelt wird und wie uns industrielle Veränderungen tagtäglich begleiten.“, so Braunmüller. Die Verarbeitung von Industriethemen und deren Auswirkungen auf die Alltagskultur seien eine „völlig neue Auseinandersetzung mit den hauseigenen Arbeiter- und Industriethemen“. Dies eröffne neue Zugänge und völlig neue Betrachtungsweisen und bringe eventuell auch so manchen neuen Gast in das Haus, der somit vielleicht erstmals mit den Themen der Industrie- und Arbeiterkultur konfrontiert wird.

Thomas Schmitt-Schech, einer der zehn ausgestellten Künstler, schildert seine Faszination für das Thema Industriekultur und die Symbiose mit der Kunst so: „Alte Industrieanlagen haben mich schon immer begeistert. Ihre Bestimmung und Funktion kann man nicht übersehen. Man ahnt die harte, schmutzige und gefährliche Arbeit. Ganz anders die modernen gesichtslosen und austauschbaren Beton- und Wellblechquader.
Von der Eisenhütte ist leider nicht viel übriggeblieben, aber über das ehemalige Betriebsgelände weht immer noch der Geist von heavy metal, Schwerindustrie. Fast alle heutigen Betriebe dort sind keine Hightech-Würfel. Rustikale, körperliche Arbeit herrscht vor. Eisen wird jetzt in Form von Schrott verwertet. Statt glühender Hochöfen drehen sich die Drehrohröfen im Zementwerk. Aber es ist auch bunt und ambivalent, die Natur holt sich Bereiche zurück, und es gibt kreative Plakate und Graffitis, die man hier nie vermuten würde. Ich bin lange Zeit mit dem Fahrrad über das Gelände gefahren, habe mich von meiner Intuition leiten lassen und die entdeckten Motive möglichst klar und grafisch fotografiert. Das Ambivalente interessiert mich in vielen Themenbereichen meiner Fotografie, weil es nur in der Theorie Eindeutiges gibt."  

Dank gilt der Possehl-Stiftung für die finanzielle Förderung, ebenso wie dem Förderverein des Museums.

Digitale Vernissage
Die Ausstellung wird mit einer digitalen Vernissage eröffnet. Dieser Film kann ab Freitag, 3. Dezember, unter www.geschichtswerkstatt-herrenwyk.de abgerufen werden.  

Begleitprogramm

Öffentliche Führungen sind jeweils einmal im Monat samstags geplant:

8. Januar 2022, 11:00 Uhr durch Eva Ammermann
5. Februar 2022, 11:00 Uhr durch Frauke Borchers
5. März 2022, 11:00 Uhr durch Thomas Schmitt-Schech
9. April 2022, 11:00 Uhr durch Siobhan Tarr

Aufgrund der Corona-Pandemie empfiehlt es sich, die Homepage des Museums unter www.geschichtswerkstatt-herrenwyk.de tagesaktuell im Blick zu behalten.  

Schulklassen und Gruppen erhalten Termine auf Anfrage.
Weitere Informationen unter www.geschichtswerkstatt-herrenwyk.de.

Foto: Rainer Wiedemann-Schrottpresse mit Blick aufs Autodesign

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