Der Sandmann, nach Heinrich von Kleists Aufsatz »Über das Marionettentheater« und E. T. A. Hoffmanns Erzählung »Der Sandmann«

Marco Storman © Rachel Israela

Kann die Grazie einer Marionette die Anmut des menschlichen Körpers übertreffen? Und wäre diese Puppe der bessere Mensch? Heinrich von Kleist verquickt in seinem wohl berühmtesten Aufsatz Fragen nach künstlerischen Schaffensprozessen mit philosophisch-tiefgründigen Geschichten über den Verlust der Unschuld nach dem Sündenfall. Auf das Essen vom »Baum der Erkenntnis« folgt das unumgängliche Straucheln der menschlichen Grazie. Im Jahr 1816, nur sechs Jahre nach Kleists Abhandlung über die mechanische Gliederpuppe, erscheint E. T. A. Hoffmanns Klassiker der Schwarzen Romantik: die abgründige Erzählung »Der Sandmann«.

Hoffmann, dem Kleists Aufsatz durchaus bekannt war und der einer der ersten war, der seine Bedeutung erkannte, beschäftigt sich im »Sandmann« ebenfalls mit dem künstlichen Menschen.


Der junge Student Nathanael begegnet der wunderschönen Olimpia und verliebt sich Hals über Kopf. Für ihn ist sie perfekt: All seinen poetischen Texten lauscht sie mucksmäuschenstill, und ihr Blick scheint den seinen innig zu spiegeln. Doch warum ist Olimpias einzige Erwiderung auf Nathanaels schwärmerisch-vorgetragene Gedichte ein sanftes, Kleistsches »Ach«? – Vielleicht würde Kleists Ich-Erzähler aus dem Aufsatz »Über das Marionettentheater« antworten: »Allerdings kann der Geist nicht irren, da, wo keiner vorhanden ist.«


Regisseur Marco Štorman verbindet die beiden klassischen Stoffe zu einer brisanten Theatererzählung und untersucht, was den Menschen zum Perfektionismus treibt. Trotz seiner scheinbaren Freiheit produziert er weiterhin stereotype Rollen- und Geschlechterbilder und unterwirft sich zunehmend dem selbst erschaffenen Diktat von Effizienz und Meinungsgleichheit.


Während er Verantwortung an Apparate auslagert und so durch vordergründige Machtfülle seine Hybris befriedigt, übernimmt der Schein das Sein, zumindest bis die Blase platzt.

Kostprobe 31/01, 18:30 Uhr, Kammerspiele, Eintritt frei, Premiere 04/02, 20:00 Uhr, Kammerspiele.
Weitere Termine 05/02 (Theatertag), 12/02, jeweils 20:00 Uhr, 20/02, 16:00 Uhr, Kammerspiele.

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