Caligula von Albert Camus

Premiere: Freitag | 1.2.19 | 20:00 Uhr | Kammerspiele | Theater Lübeck

© Marlene Meyer-Dunker

Caligula – der einzige Held, der die Macht selbst ins Lächerliche zieht, schreibt Camus zu seinem ersten Bühnenstück. Einst ein liebenswerter römischer Kaiser, verfällt Caligula nach dem Tod seiner Schwester und Geliebten einer Trauer, die umschlägt in zerstörerische Wut.


»Die Menschen sterben und sie sind nicht glücklich« – diese Einsicht lässt Caligula nach dem Unmöglichen verlangen, nach dem Mond oder der Unsterblichkeit. Der Kaiser nimmt sich die Freiheit, systematisch alle Werte zu verkehren und eröffnet ein grausames Experiment: Gut und Böse unterscheiden sich nicht mehr, Freundschaft und Liebe gelten nichts, das Menschenleben bedeutet nichts. Vom Tod her sucht er die Wahrheit und findet eine, die das Leben ad absurdum führt. Seine absolute Freiheit und Macht ausübend, fordert Kaiser Caligula die Eliten heraus, das Unmögliche möglich zu machen: Jedes Vermögen muss dem Staat vererbt werden, Frauen werden gezwungen in Bordellen zu arbeiten und Senatoren degradiert, willkürlich werden Menschen hingerichtet. Aus Angst vor dem Herrscher und dem Volk, das Caligula zujubelt, erstickt die Elite ihren Widerstandsgeist und duldet den Tyrannen fast vier Jahre.


Albert Camus verfasste seine »Geschichte eines Selbstmords auf höherer Ebene« schon 1938 in Algier, erst nach dem Krieg, 1945, wurde diese »Tragödie der Erkenntnis« in Paris uraufgeführt, zwei Jahre später ordnet Camus in seinem Tagebuch »Caligula« seinen absurden Werken zu und räsoniert: »Das Ende der Bewegung des Absurden und somit das Ende der gegenwärtigen Welt findet sich im Mitleiden im eigentlichen Sinn des Wortes, das heißt schließlich, in der Liebe und der Dichtung.« 1957 erhält Camus den Nobelpreis für Literatur mit der Begründung, mit scharfsichtigem Ernst menschliche Gewissensprobleme in unserer Zeit zu beleuchten.


Der historische Caligula herrschte von 37 bis zum Jahr 41 in Rom, sein Urgroßvater Kaiser Augustus hatte die herrschende Aristokratie der Republik entmachtet und eine neue monarchische Ordnung geschaffen, doch nach außen wurden die alten Machtverhältnisse behauptet. So bestand zwischen Kaiser und Elite eine scheinbare Gleichheit, die jedoch große faktische Ungleichheit verdeckte.


Beste Voraussetzungen für den Geist der Revolte, wie Camus in seinen Essays notiert: »Die Revolte ist die Tat des unterrichteten Menschen, der das Bewusstsein seiner Rechte besitzt.«


Wer revoltiert, macht – im etymologischen Wortsinn – kehrt. Caligula nimmt seine Untertanen, die Unterwürfigkeit heucheln, beim Wort und entlarvt und unterwirft sie. Konsequenz fordert er und reißt die Fassade des Machtgebäudes nieder, verwirft die Konventionen, stört die politische Machtrepräsentation der Aristokratie und überführt diese Ordnung in die absolute Präsenz seines irrwitzigen Machtspiels. Im Circus und im Theater verbündet sich Caligula mit dem Volk, so erhöht er den Druck auf die Elite. Die Elite will ihre Privilegien und somit das System, das offensichtlich marode ist, erhalten, sie wollen den Kaiser töten, doch fürchten sie seinen Rückhalt im Volk. Die Krise im römischen Staat fällt in seiner Grundsätzlichkeit mit der Weltwirtschaftskrise und dem Zweiten Weltkrieg zur Entstehungszeit des Stückes zusammen und scheint auf die Krise der Globalisierung und auf die Kriege der Gegenwart zu weisen. Welche Werte könnten eine Revolte, eine Umkehr, ein gemeinsames Handeln einleiten?


Camus grenzt die Revolte von Resignation und Ressentiment klar ab: sie sei zutiefst positiv, da sie offenbare, was im Menschen zu verteidigen ist. Jeder Aufstand bejaht das, was den Einzelnen insofern übersteigt, als es ihn aus seiner angeblichen Einsamkeit zieht und ihm einen Grund zum Handeln gibt. Es gelte den Geist, die Freundschaft und Kultur hochzuhalten. »Denn die Freundschaft ist die Kunst der freien Menschen. Und es gibt keine Freiheit ohne gegenseitiges Verständnis.«


Premiere 1/2, 20:00 Uhr, Kammerspiele.
Weitere Termine 8/2, 21/2, jeweils 20:00 Uhr, u.a.

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